Teil 4: Bratwurst und Weltuntergang

Ob die im Bundestag gegen die Stimme der Bundeskanzlerin verabschiedete „Ehe für alle“ oder der erste europäische Staatsakt im Straßburger Parlament zu Ehren von Helmut Kohl – politisch gesehen begann das Sommerloch 2017 mit einem Paukenschlag. Noch lauter aber und wohl auch am meisten diskutiert war jedoch ein ganz anderes geschichtsträchtiges Ereignis dieser Woche: der Weltuntergang made in Berlin.

Am Donnerstagmittag brach über Brandenburg und der Hauptstadt ein Unwetter aus, das sich gewaschen hatte – und nicht nur Busse und U-Bahnen zum Baden brachte, sondern auch so manchen ahnungslosen Passanten. Rasch verbreiteten sich über die sozialen Medien Bilder von Badenden in Berliner Straßen und regenschirmbewehrte Fußgänger, die plötzlich im Erdboden versanken. Mit sorgenvollem Blick dachte ich an das neu gedeckte Dach der Dichterlaube; das Timing war perfekt, aber würde es meine Handwerkskunst auch sein?

Rückblick: Erst am Dienstag hatte ich in Berlin per Zufall das erste für das Landhaus bestimmte Möbelstück entdeckt. Die Umstände (es handelte sich um eine Haushaltsauflösung) und die ausgestreckte Hand des Verkäufers führten dazu, dass ich schneller Eigentümer eines edlen Sekretärs war als ich für dessen Abtransport sorgen konnte. 20 Minuten blieben mir, um mir Gedanken zum Thema Möbeltransport ohne Transporter zu machen. Das Ergebnis sehen Sie hier – es war ebenso nervenaufreibend wie alternativlos…

Keine zwei Tage später hatte sich dieses idyllische Kornfeld in eine brandenburgische Imitation von Venedig verwandelt – Mückenschwärme und güllehaltige Ausdünstungen inklusive. Was aber war mit dem Haus passiert? Und wird es am Ende doch ein Hallenbad, wie ich meiner ägyptischen Freundin einst prophezeit hatte? Samar zeigte sich wie immer abgrundtief entspannt. „Wenn das Dach nicht gehalten hat,“ entschied sie, „brauchst Du eindeutig mehr Übung. Und für die wäre gesorgt. Was willst Du mehr?“

Entsprechend aufgeregt näherte ich mich am Freitag unserem Dorf. Wie zur Begrüßung hatten sich unsere zwei Dorfstörche vor der dramatischen Naturkulisse der immer noch bedrohlich wasserschwangeren Wolken vor uns aufgestellt. Samar konnte meiner romantischen Deutung wenig abgewinnen. „Ihr Nest ist ein Pool, wer will schon den ganzen Tag im Wasser hocken?“ Wo sie recht hat, hat sie recht. „Hoffen wir, dass ihre Eier schwimmen können.“

Das Haus mit dem schicken neuen Sekretär erwies sich bei unserer Ankunft als sturm- und wasserfest. Obwohl es schon wieder zu regnen begonnen hatte, waren weder im Erdgeschoss noch im ersten Stock unter dem Dach Schäden zu erkennen. Während Samar den Kamin einheizte, eilte ich in den Garten und sah in der Dämmerung nach dem Häuschen. Gerade als ich im Inneren das Mauerwerk überprüfen wollte, entlud sich eine riesige Gewitterwolke über unserem Tal. Die gute Nachricht: Es passierte… nichts. Das Dach, mein erstes eigenes Dach war tatsächlich dicht.

Stolz machte ich mich am nächsten Tag an die Arbeit, um auch die letzten Lücken im Mauerwerk der Dichterlaube zu verschließen. Wieder rührte ich den Zementputz auf die richtige Konsistenz an, doch diesmal vermied ich es, direkten Hautkontakt zu der unschuldig nach Mutter Erde und Kiesel riechenden Masse zuzulassen. Die ganze vergangenen Woche über hatten sich meine durch den basischen Putz arg angegriffenen Hände wie Reibeisen angefühlt. Am Tag des Unwetters hatte ich bereits eine volle Tube Handcreme in meine Reibeisen versenkt, doch das Schälen meiner Fingerkuppen hatte ich damit nicht verhindern können.

Nach dem Stopfen der letzten Lücken machte ich mich am Wurzelwerk zu schaffen. Wir erinnern uns: Letzte Woche hatte ich es bereits entfernt. Die neue Beinfreiheit und die gute Bewässerung aber sorgten dafür, dass sich die umstehenden Bäume und Sträucher erneut nach ihrem favorite place to be ausstreckten – und ich diesmal zu härteren Bandagen greifen musste. Mit dem Flammenwerfer, der mir schon auf dem Dach assistiert hatte, verlies ich unser Haus gen Garten. Samar sah mir verwundert nach.

Nachdem ich etwa die Hälfte der Wurzeln mit der Hilfe eines spitzen Spachtels abgeschnitten hatte, stutzte ich den Rest der frechen Eindringlinge mit einer ambitionierten Flammenwand. Kamingeruch breitete sich in dem kleinen Häuschen aus. „Fehlt nur noch der Fleischspieß!“ hörte ich plötzlich hinter mir eine Stimme durch das kleine Fenster. „Keine Chance“, entgegnete ich Samar fröhlich. „Heute Abend bist Du mit Kochen dran.“

Nachdem die ausgebrannten Fugen endlich gründlich verputzt waren, begann ich mit dem Glätten jener Wand, die ich letzte Woche zur Hälfte neu hochgezogen hatte. Mit Staunen hatte ich einst den 40 kg schweren Sack Putz und Mauermörtel in Augenschein genommen, die mir mein Baumarkt-Experte auf den flachen Wagen wuchtete. „Haben Sie nicht eine kleinere Größe vorrätig?“ outete ich mich damals, um es mit David Bowie zu sagen, als Absolute Beginner. „Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber das wäre in etwa so sinnvoll wie 10g Bratwurst.“

Heute verstand ich ihn. Die 40 kg hatten gerade mal dafür gereicht, die wichtigsten klaffenden Wunden meiner lyrischen vier Wände zu versorgen – doch schon bevor ich die Rückwand erreicht hatte, saß ich – zumindest im Inneren des Häuschens – auf dem Trockenen.

Samar lachte, als ich zurück ins Haupthaus kam und von meinem unfreiwilligen Baustopp berichtete. „Wenigstens weiß einer von uns, was er hier tut.“ Mit einem Strahlen, das auch den verregnetsten Tag zu einem Sommerurlaub gemacht hätte, trug sie eine Platte mit Kartoffeln und Bratwurst aus der Küche. „Du bekommst auch mehr als 10g – versprochen!“

Eine Antwort auf „Teil 4: Bratwurst und Weltuntergang“

  1. Abenteuergeschichten vor den Toren Berlins !
    Freue mich riesig auf die umliegende Natur und >das Haus am See<.
    Können wir dann ein kleines Lagerfeuer machen ?…..und uns richtig schmutzig machen !
    Ach, ich freue mich einfach darauf.
    Grüße an George
    Bussi von Ela

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